it is time for – documenta oder Bau einer nahezu perfekten Uhr



Die Binäruhr ist während der Documenta 14 in der Gottschalkhalle (Gottschalkstr. 20) ausgestellt!

Nach ausführlicher Planung trafen sich Andreas Scheel und einige Schüler_innen in der IGS, um endlich die Binäruhr für die Documenta zu bauen. Am ersten Tag waren Angelo Plessas, von dem die Idee zum Kunstprojekt kommt, und einige andere Künstler zu Besuch und haben den Arbeitsprozess und die binäre Zeitrechnung nachvollzogen. Am zweiten Wochenende konnte die Arbeitsgruppe dann ganz ungestört weiterarbeiten:
Es ist ein interessanter Blick auf die Jugendlichen, die aneinandergereiht, alle mit dem selben konzentrierten monotonen Gesichtsausdruck um einen Tisch sitzen und löten. Es ist ein Bild, das unendlich viele Assoziationen aufkommen lässt. Eine der ersten Assoziationen, die mir hier einfällt, ist wohl die von Akkordarbeiter_innen am Fließband. Richtet man den Blick jedoch etwas länger auf dieses Szenario, macht die Tiefenentspanntheit, die von diesen „Arbeitern“ ausgeht, dieses Bild von gestressten Akkordarbeiter_innen vollständig kaputt und vermittelt zusammen mit dem freundschaftlichen Umgang untereinander eher das Bild von einem Hobbybastelklub. Und das ist vielleicht gar nicht so weit entfernt von dem, was das hier ist. Denn schließlich machen das hier alle freiwillig und irgendwie ist es auch so etwas wie ein Hobby. Aber trotzdem arbeiten hier alle mit sehr viel Kompetenz und vor Allem mit wahnsinnig viel Geduld und Ruhe. Schon der zweite Tag an dem die Schüler_innen im Grunde die ganze Zeit das Gleiche machen und trotzdem sind die Schüler_innen noch hoch motiviert und versprühen eine gelassene und schöne Stimmung. Das bewundert auch Andreas Scheel, der die Arbeit an der Binäruhr leitet. Andreas ist allerdings alles Andere als gelassen. Ständig sieht man ihn umher rennen und Alle haben Fragen an ihn.
„Ich muss alles im Blick haben und auf alles achten. Das macht zwar viel, wahnsinnig viel Spaß, ist aber auch sehr anstrengend und raubt mir manchmal den Schlaf, weil ich mir auch noch Nachts Gedanken über das Projekt mache“, sagt Andreas und lacht dabei.
Vor Allem der Zeitdruck macht Andreas sehr zu schaffen, die Schüler_innen scheinen sich darum aber kein Bisschen zu kümmern, womöglich, weil Andreas allen Stress und alle Hintergedanken von ihnen abnimmt und sich selbst aufhalst. So konzentrieren sich die Schüler_innen tatsächlich nur auf ihre Arbeit und blenden alles Andere aus, die perfekten Umstände. So kommt es dann auch, dass die Schüler_innen sich gar nicht wirklich im Klaren darüber sind, dass sie an einem Kunstwerk für die documenta arbeiten. Sie bauen die Binäruhr also nicht, um sie auszustellen, sondern weil sie daran wachsen und stolz auf ihre Arbeit sein wollen, egal, wie viele Menschen sie später sehen, und vor Allem weil es einfach tierisch viel Spaß macht. Wäre der Spaßfaktor nicht so hoch, würden die Schüler_innen wahrscheinlich auch nicht an drei Wochenenden jeweils einen ganzen Tag, von Morgens um Neun bis spät Abends an der Uhr bauen, an denen sie, mit Ausnahme von einer Essenspause, auch permanent arbeiten.
Diese Freude und Motivation sieht man auch in der fertigen Binäruhr. Sie wirkt wie ein liebevoll gestaltetes Kunstprojekt, das von teilweise noch unerfahrenen, aber experimentierfreudigen Menschen gebaut wurde und vor Individualität und Wiedererkennungswert nur so strotzt. Man könnte stattdessen auch sagen, sie ist nahezu PERFEKT.

Text: Jakob Hüfken
Video: Alex Steckler